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Mittwoch, 28. November 2012

Bigitarrerie

Gerade mal kurz auf dem Sperrholz geklampft, damit es sich nicht benachteiligt fühlt. Ich liebe es, wenn die Fingerkuppen nach oxidiertem Metall riechen (Ja auch ich habe das Recht auf ein wenig Perversion!) Das Klampfverhalten meiner zartbesaiteten neuen Liebelei ist ja nahezu devot im Vergleich zum Altgespiel. Dennoch braucht Mann hin und wieder das ehrliche Feedback eines erfahrenen Instruments. Der Balanceakt zwischen Genuss und Verstörung, Gewohntem und Neuem ist es doch, was das Musizieren reizvoll und frisch hält. Ich mag auch ihre Genügsamkeit. Kein stundenlanges Einstimmen oder vorbereiten. Wenn uns danach ist, wird einfach frisch von der Seele gefuddelt. Experimentierfreudig ist Sie aber in all den Jahren geblieben. Egal ob ich ihr eine übergroße Büroklammer anklemme, um billig einen verzerrten Sound zu imitieren, ihre Saiten bis aufs Äußerste dehne, oder ihr sogar mit einem Plek auf den Leib rücke, am Ende kommt immer irgendwie Musik dabei raus. Die markenverwöhnte Schönheit, die seit neuestem meine Behausung dominiert, bekommt schon die Krise, wenn ich ihr mal mit ein paar neuen Saiten ankomme. Dann ist Sie tagelang verstimmt und lässt mich kaum mit ihr spielen. Als ich ihr vorschlug, mal einen Freund einzuladen, um mal zu viert eine gemütliche Runde zu jammen, ist ihr spontan die A-Saite gerissen. Zur Zeit schmollt Sie in ihrem Beutel - noch so`n Ding, was meine Alte nie nötig gehabt hätte - und kommt mir mit so Sachen wie: "Wir wollten doch mal ein wenig Bossa üben?". Nee, is klar! Und als nächstes kram ich dann wieder die Mundorgel raus und sing "Mornig has broken", oder was? Versteht mich nicht falsch! Alles, was man mit ihr tut klingt einfach wundervoll! Überirdisch! Sauber! Reinlich... Klinisch... reinlich.. ordentlich... nett... Heimlich steh ich ja auch ein wenig auf E-Gitarren. Aber meine Annegret (Sie kommt aus dem Osten und wiegt so viel wie ein Bass) kommt nun wirklich schon in die Jahre und war sowieso immer eher so der Kumpeltyp. Nirvana und Greenday halt. Was Neues in der Richtung kommt für mich aber nicht in Frage. Auch wenn meine kleine Nylon-Maus und ich uns wirklich manierlich aufführen, klingelt unser Nachbar spätestens nach zehn Minuten. Was soll das erst geben, wenn ich schweres Gerät auffahre?!? Ich war auch schonmal in einem Musikgeschäft. Nur zum Gucken! Ohne Scheiß! Das wird ja wohl erlaubt sein. Laut Statistik war jeder dritte Musiker schon eimal in einem solchen Etablissement. Die meisten Sinnesfreuden dort sind für Normalsterbliche eh unerschwinglich. Und auch wenn Anfassen erlaubt ist, bin ich kein Freund von "Probe"-Spielen. Ist ja auch peinlich, so in der Öffentlichkeit. Nur einmal hab ich gegen diese selbst auferlegte Regel verstoßen, denn, um einmal ganz ehrlich zu sein, auch meine Kleine stammt aus dem Millieu des käuflichen Musizierens (Und jetzt macht Sie einen auf Tonkunst-Akademie und zickt bei Zugluft!) Für mich war klar: Sie muss da raus! Über das Ablöse-Prozedere, sprich: Den Preis, schweigt man als Kavalier besser. Ich sag ja nicht, dass jedes Instrument mal für zehn/zwölf Jahre in einer finsteren Abstellkammer lagern sollte, wie meine Alte. Himmel! So ein Trauma wünscht man keinem! Aber ich glaube, heute hört man ihre Freude über die neugewonnene Freiheit in jeder noch so schräg gespielten Note. Es wäre gänzlich unfair die beiden anderen unerwähnt zu lassen: Die Bunte und die Faxe. Letztere ist eigentlich ein musikalischer Totalschaden, was für die ganz Harten! In ihrem Leib steckt eine aufgeschlitzte Ein-Liter-Dose Tankstellenbier und es ist ihr schnurzegal, ob man sie vorne am Griffbrett oder hinten am Steg anspielt. Vorne brüllt Sie indisch klingende Verwünschungen im Stile einer billigen Straßen-Sitar, hinten macht Sie ein gänzlich unanständiges PlinPling, wofür man schon einen sehr ausgefallenen Geschmack braucht, um es zu mögen. Die Bunte schließlich, rennt mir schon seit meiner Internatszeit, von Umzug zu Umzug hinterher. Bevor das mit ihrem etwas schrägem Körperkult losging, (Sie ist über und über mit den Werken Keith Harings bedeckt) war Sie ein durchaus respektables Instrument mit einer sehr hübschen Stimme. Heute führt Sie ein buchstäblich ruhiges Leben, findet neue Saiten doof und generell alles, was mit Musizieren zu tun hat. Sie steht lieber hübsch in der Ecke und schaut dem Treiben leise vergnügt zu. Das Leben mit fünf Gitarren ist nicht immer einfach... Der Laie stellt sich das völlig falsch vor. Trotzdem führe ich als Bigitarrerist ein durchaus priviligiertes Leben, vor allem in musikalischer Hinsicht. Jetzt werde ich aber erstmal Madame Nylon sanft aus ihrem Beutel locken und ihr klar machen, dass natürlich nur Sie die Number One ist.

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